LiamDucray
  Lyrik: Pseudo-Sittlichkeit
 





Die Schwachen soll man beschützen,
die Armen unterstützen;
zu gebrauchen sind die Menschen nicht,
doch schaut man gern herab zur Unterschicht.
Den Nachbarn wünscht man einen guten Tag,
den Kollegen einen Eichensarg,
die gute Stube ist mit Mahagoni gefliest,
der muffige Hoden mit Chrom gepierct.
Der liebe Abschaum verrottet in der Zelle,
Mussolini tanzt zur Blaskapelle;
Priester dozieren, Militärs marschieren –
jaja, nichts kann dich schockieren.

Im Bordell wird sich vergnügt,
jede Lappalie scharf gerügt,
jeder Mist raffiniert inseriert,
Hilferufe fachgerecht ignoriert.
Embryonen auf dem Weg zum Freitod;
Geltung, Zwist und Hungersnot;
kalte Zungen, gebrochener Stahl;
du hast dich dran gewöhnt, alles ist normal.
Die kleinen Kinder soll man hüten,
doch die Großen darf man prügeln;
und die Scheintoten soll man noch füttern –
jaja, nichts kann dich erschüttern.

Ehebruch ist verpönt,
Weiber werden verwöhnt,
Männern schlägt man ins Gesicht,
mit vollem Munde spricht man nicht.
Botox nimmt man durch die Nadel,
eine Mahlzeit mit Messer und Gabel,
die Weisheit mit dem Löffel,
die Dummheit gleich im Scheffel.
Derivate, Implantate, Hitparade:
Für jeden Trottel gibt’s ’ne Schublade.
Zuvor noch etwas Speichel lecken –
jaja, nichts kann dich erschrecken.

Dank Television werden wir kreuzdumm,
und schmoren kollektiv im Solarium.
Denn das Nazibraun ist aktuell voll angesagt –
doch Wehe dem, der latent-braune Sachen sagt!
Dann kommt die Wut, Wut, stinkende Wut;
Kadaver, Gedärme, und überall Blut;
ein zerfetzter Uterus, der Kaiser ist vulgär,
und die lästigen Tabus – sie sind nicht mehr.
Wunderbar: Wir ficken hier, wir ficken dort;
aber Rauchen ist verboten, und Fleisch ist Mord!
Im Denkzentrum schwellen fein die Zysten –
jaja, nichts kann dich entrüsten.

Denn es steht geschrieben:
Hasse deinen Nächsten wie auch dich.
Da schau: Ich helfe dir, und beschneide mich.
Das Chloroform schmeckt ... uuh ... bitter.
Doch ein jeder ist sich selbst der Schnitter.
Und natürlich lernst du nichts hinzu,
denn deine Sippschaft ist wie du.
Folgerichtig bist du ein wahrer Held –
Wie schön, dass das niemand mehr infrage stellt.
Du bist das Räderwerk in allen Mühlen,
ein moderner Mensch mit modernen Gefühlen.
Doch die Zeichen stehen auf Schachmatt ...
Jaja, leg dir noch den Kragen glatt.
Ich weiss, ich weiss genau:
Du bist 'ne abgebrühte Sau!




 
 
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© 2012 - 2020 Liam Dûcray
 
 
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